Der Druck auf die heimischen Rindermästerinnen und -mäster steigt. Seit Jänner sind die Preise unter Druck, eine Entspannung wird erst für den Herbst erwartet. Werner Habermann, Geschäftsführer der Erzeugergemeinschaft Gut Streitdorf, erklärt im Interview die Ursachen und was es braucht, um die heimische Rindfleischproduktion abzusichern.

Herr Habermann, wie ist die derzeitige Situation am Rindfleischmarkt?
Habermann: Der Rindfleischmarkt ist derzeit stark im Umbruch: Der drohende Brexit veranlasst Irland, das bei Rindfleisch einen Selbstversorgungsgrad von 650 Prozent hat, verstärkt nach neuen Märkten zu suchen. Das Land darf zwar nach China liefern, wo aber eher die günstigeren Fleischteile Absatz finden. Die höherpreisigen Edelteile kommen verstärkt auf den europäischen Markt. So wird seit Juni 27 Prozent mehr Rindfleisch in die anderen europäischen Länder geliefert, was auch bei uns den Preis gehörig unter Druck setzt. Gleich-zeitig bricht den Polen der türkische Markt weg, da hier die südamerikanischen Staaten (Argentinien, Brasilien) immer besser ins Geschäft kommen. Diese drücken auch aufgrund des derzeit herrschenden Währungsvorteils mit Edelteilen – beispiels-weise Beiried zum halben Preis der heimischen Ware – auf den österreich-ischen Markt.

Hinter vorgehaltener Hand hört man oft, dass verstärkt irisches Rindfleisch auch nach Österreich komme?
Habermann: Nein, in Österreich ist definitiv nicht mehr irisches Rindfleisch angekommen. Allerdings
bringen die irischen Exporte nach Europa – beispielsweise nach Deutschland, das Hauptabnehmer für österreichisches Rindfleisch ist – stark auf unseren Preis stark unter Druck.

Was bedeutet das für die Bäuerinnen und Bauern?
Habermann:
In den vergangenen Wochen mussten die Mäster teilweise drei bis vier Wochen warten, bis die Schlachttiere abgeholt werden konnten. Das sind sie von uns so nicht gewohnt. Dazu hat der Stierpreis hat seit Jahresbeginn um 50 Cent nachgegeben. Für die Mäster ist das am Ende der Rechnung ein Nullsummenspiel. Nicht zuletzt, weil die Kälberpreise bisher konstant geblieben sind.

Wie sehen Ihre Prognosen aus, wie wird sich die Lage weiterentwickeln?
Habermann: Erfahrungsgemäß zieht der Absatz im Herbst etwas an. Darauf hoffen wir auch heuer, damit sich die Marktlage wieder etwas entspannen kann. Dazu beobachten wir verstärkt einen Wandel der Konsumgewohnheiten: Der Trend geht eindeutig in Richtung Steakartikel, also Kurzbratteile und zum Faschierten. Der klassische Rinderbraten, das Kochfleisch und auch das Rindsgulasch verlieren zusehends an Bedeutung.

Welche Wege sehen Sie aus dieser Misere?
Habermann: Um die Existenz der heimischen Rindfleischproduzentinnen und -produzenten abzusichern, muss an verschiedenen Hebeln angesetzt werden. Zum ersten braucht es eine klare Herkunftskennzeichnung in der Gastro­nomie und Gemeinschaftsverpflegung. Es ist uns klar, dass wir niemanden verpflichten können, heimisches Rindfleisch zu verwenden. Der Verbraucher muss aber klar erkennen können, was auf seinem Teller landet und damit auch die Wahlmöglichkeit haben. Das ist für mich eine Frage der Fairness.
Wir fordern von unseren Bäuerinnen und Bauern immer strengere Vorgaben in Bezug auf Tierwohl oder Pflanzenschutz ein. Gleichzeitig wird südamerikanisches Rindfleisch, das diesen Anforderungen keinesfalls gerecht wird, zum Schleuderpreis angeboten.
Dazu müssen in der nächsten Periode der GAP ausreichend Mittel für die Rindfleischproduktion vorgesehen werden, die auf der einen Seite direkt beim Betrieb ankommen. Unser durchschnittlicher Betrieb hat 28 Rinder und soll auf dem Weltmarkt gegen Betriebe mit 3500 Tieren bestehen. Das kann nicht funktionieren. Auf der anderen Seite muss auch weiterhin Geld für absatzfördernde Maßnahmen zur Verfügung stehen.
Damit wir auch in Zukunft Initiativen setzen können. In der Gastronomie werden bereits 20 Prozent des Rindfleisches über unsere Qualitätsprogramme abgesetzt. Ohne diese Markenprogramme wäre der Stierpreis momentan sicher um 30 bis 40 Cent niedriger.

Gibt es noch weitere Hebel, an denen angesetzt werden kann?
Habermann: Wir haben noch etwa zwei Jahre Zeit, bis das Mercosur-Abkommen in Kraft treten wird. Bis dahin müssen wir so aufgestellt sein, dass wir uns klar von den Produktionsbedingungen in diesen Ländern abgrenzen und diese Unterschiede auch klar aufzeigen. Dazu müssen wir unsere Kommunikation noch weiter verbessern.
Langfristig gibt es dazu im Bereich der Zucht Möglichkeiten der Weiterentwicklung. In Australien wurden beispielsweise Untersuchungsmethoden entwickelt, mit denen festgestellt werden kann, wie stark ein Zuchtstier das „Zartheitsgen“ vererbt. In Zeiten wo Steakartikel vermehrt Absatz finden, kann uns das durchaus helfen, die Fleischqualität noch besser den Kundenanforderungen anzupassen.